2016-02-19

Von gelegentlichen Qualitätsprüfungen zur kollaborativen Qualitätssicherung


Im letzten Jahrzehnt haben Übersetzungstools nicht nur beeindruckende Fortschritte im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit, Produktivität und Automatisierung gemacht, sondern auch eine breite Palette von Qualitätssicherungserweiterungen entwickelt, die die Erkennung und Korrektur sprachlicher Fehler im übersetzten Text vereinfachen. Aus diesen Erweiterungen wurden schließlich eigenständige Review-Tools und –Portale, wie unser eigenes globalReview, die In-Country Reviewern erlauben, Übersetzungen online zu überprüfen und freizugeben.

Ein "ganzheitlicher" unternehmensweiter Ansatz muss aber über einfache Qualitätskontrollen hinausgehen und auf strategischer Ebene versuchen, einen echten Qualitätssicherungsprozess in Hinblick auf Fehlervermeidung, Qualitätsbewertung und letztlich Qualitätsverbesserung zu etablieren. Während die Qualitätskontrolle ja erst im Nachhinein erfolgt, beginnt die Qualitätssicherung vor der eigentlichen Übersetzung mit Aspekten wie sauberen Quelltexten, solider Terminologie, Projektvorbereitung und intelligentem Query Management während des Übersetzungsprozesses. Damit noch nicht genug, geht es doch nach der Übersetzung um Quality Tracking, Prozessverbesserungen und Qualitätsbewertung. All diese Prozesse benötigen Akteure, die nicht zur eigentlichen Übersetzung gehören, wie z.B. Autoren, Kunden oder In-County Reviewer.

Diese Akteure und „Rand“-Prozesse in den äußerst industrialisierten, also ausdefinierten, Übersetzungsproduktionsprozess zu integrieren, das ist jedoch leichter gesagt als getan. Nicht umsonst hat das Common Sense Advisory vor kurzem festgestellt, dass In-Country Reviews „… dafür berüchtigt sind, Verzögerungen und Frustrationen bei allen Beteiligten zu verursachen.“

Abgesehen von technologischer Unterstützung durch einfache Online-Tools oder der Review direkt im Layout, möchte ich daher zwei Dinge vorschlagen, von denen ich glaube, dass sie den Reviewprozess verbessern:
  1. Verschieben wir für die Reviewer den Fokus vom „Reviewen“ an sich in Richtung Qualitätsbewertung der Übersetzung. Anstatt mühsam jedes Segment zu reviewen, können Reviewer vordefinierte Stichproben überprüfen und bewerten. Die Fehlerskala wird berechnet und vor allem kontinuierlich verfolgt. So erhalten wir Business Intelligence, die uns verrät, an welchen Sprachen, Lieferanten, Prozessen oder Projekten wir arbeiten müssen, um die Qualität zu verbessern. Dank dieser Vorgehensweise wird auch der gesamte Prozess viel objektiver und weniger emotional.
  2. Aus Prozesssicht müssen wir verdeutlichen, dass Reviewer nicht zwangsläufig dafür verantwortlich sind, den Text publikationsfertig zu machen. Reviewer beurteilen die Qualität und, falls Korrekturmaßnahmen ergriffen werden müssen, werden sie vorgenommen werden - von den Übersetzern, die letztlich für den endgültigen Text verantwortlich sind. Die Reviewer helfen uns einerseits sicherzustellen, dass der Text den Marktgegebenheiten und generellen Anforderungen entspricht, und andererseits im Laufe der Zeit ein ständig verbessertes Produkt zu entwickeln.

Ganzheitlich, kollaborativ, qualitätsgetrieben

Klingt nach einem ziemlich komplexen Projekt? Nicht unbedingt, vorausgesetzt Sie integrieren alle Beteiligten und optimieren Ihre Prozesse. So vermeiden Sie Enttäuschungen, Verzögerungen, oder, noch schlimmer, totale Blockade. Darüber hinaus empfehlen wir die Implementierung eines kollaborativen Sprachenqualitätsprozess mit Hilfe einer webbasierten, zentralen Plattform. Technologisch muss diese Plattform in CAT Tools integriert werden, während es von der Bedienung her viel "kooperativer" und kommunikationsorientiert sein muss. Letzteres ermöglicht und motiviert Nicht-Linguisten, sich an dem Prozess zu beteiligen, was ihn wesentlich beschleunigt und auch „strategischer“ macht. Zeit also, Abschied zu nehmen vom mühsamen Reviewalltag. Und höchste Zeit für Terminologieprozesse im Rahmen der Vorübersetzung, für Query Management während der Übersetzung und für Qualitätsbewertung nach abgeschlossener Übersetzung.

Die Integration dieser drei Arbeitsbereiche in einen kollaborativen Ort verbessert insgesamt die Sprachenqualität und bietet folgende wesentliche Vorteile:

  •  Es ist sehr einfach und hocheffizient, diese sehr unterschiedlichen Workflows mit einer einzigen aufgabenbasierten Plattform zu verwalten
  • Zusammenarbeits- und Community-Funktionen machen es viel einfacher, den Überblick über Aufgaben und offene Fragen zu behalten. Der kommunikationsgesteuerte Prozess bindet auch alle Beteiligten in ein Team ein und verhindert damit, dass individuelle "Black Boxes" sich gegenseitig zu kritisieren.
  • Die Qualitätsbewertungsplattform ermöglicht es den Akteuren sowohl Anregungen zu geben als auch die Performance aktiv zu verfolgen. Aufgrund dieses Tracking kommen die Beteiligten nicht umhin, Verbesserungen im Gesamtprozess wahrzunehmen. Objektive Qualitätsindikatoren ersetzen dann gelegentliche und meist emotionale Ausführungen wie "Diese Übersetzung ist schlecht!" Dies wird die Motivation, am Ball zu bleiben, wesentlich erhöhen.

Aber auch die Bereiche wie Terminologie, Übersetzerrückfragen und In-Country Review profitieren von diesem Ansatz. Beispielsweise kann Terminologie kollaborativ definiert, "übersetzt", gewählt, und freigegeben werden. Rückfragen können an die zuständigen Personen weitergeleitet, beantwortet und dann an alle Übersetzer und Reviewer dieses Projekts mitgeteilt werden. Sogar die Autoren können miteinbezogen werde und so, danke der beantworteten Übersetzerrückfragen, ihre Ausgangstexte verbessern.

Wie implementiert man Qualitätsbewertung

Nach der Etablierung dieser unternehmensweiten Zusammenarbeit kann die Übersetzungsqualitätsbewertung elegant in den Prozess eingebunden werden. Wir schlagen vor, Ansätze von TAUS und QT21, wie Content-Profiling oder Fehlertypologie, zu verwenden:
  • Content-Profiling berücksichtigt, dass nicht der gesamte Inhalt eines Unternehmens hinsichtlich seiner Qualität gleich behandelt werden muss: Während emotionaler, markenrelevanter öffentlicher Inhalt wahrscheinlich vollständig überprüft werden muss, sollte für internen Inhalt mit schneller Verfallszeit eine 10% ige Stichprobe ausreichen. Kunden und Übersetzungsanbieter einigen sich auf die Art der Inhaltsprofile, die es zu überprüfen gilt, und legen auch fest, in welchem Umfang dies geschieht.
  • Fehlertypologie basiert auf der Tatsache, dass nicht alle Fehler gleich heikel sind. Ein Sinnfehler an einer prominenten Stelle wiegt schwerer als ein rein stilistischer Fehler in einem Support-Artikel.
Die Kombination dieser Fehlertypenbewertungen mit Content-Profiling ermöglicht es, jeden beliebigen Text in Bezug auf Qualität effizient zu evaluieren. Auf der Grundlage dieser Bewertungen können Maßnahmen beschlossen werden, die von einer sofortigen Veröffentlichung bis hin zu einer erneuten Übersetzung reichen können.

Gleichzeitig ergibt jede Auswertung einen Qualitätsfaktor, der ständig erfasst wird und dadurch im Laufe der Zeit Business-Intelligence-Einblicke in den Übersetzungsprozess schafft. Dadurch kann man erkennen, welche Art von Qualitätsprozess bestimmte Anbieter implementiert haben, welche Sprachen oder Ressourcen problematisch sind, und ob bestimmte Qualitätsverbesserungsmaßnahmen erfolgreich waren oder nicht. Und was noch wichtiger ist: Damit erhöht sich die Transparenz und Objektivität in einem Feld, das notorisch mehrdeutig und hoch emotional ist. Reviewer - die in der Regel darüber klagen, dass sie alle Übersetzungen korrigieren müssen, obwohl sie keine Zeit dafür haben - sollten damit aktiv an dem langfristigen Sprachenqualitätssicherungsprozess teilnehmen, anstatt Übersetzungen zu „reviewen“ oder Terminologie zu "übersetzen".

Fazit

Betrachtet man Qualität als Teamarbeit und als kontinuierlichen Verbesserungsprozess und nicht als eine gelegentliche Korrekturmaßnahme, vereinen wir alle Akteure mit einem gemeinsamen Ziel anstatt sie zu emotionalen Gegnern zu machen. Last but not least, bewegen wir uns damit auch weg gelegentlichen Qualitätskontrollen hin zu konsistenter, nachhaltiger und kollaborativer Qualitätssicherung.

Klaus Fleischmann

Weitere Informationen

Interessiert? Weitere Informationen erhalten Sie in unseren Webinaren, auf www.globalreview.at, via Telefon (+43 1 253 5 352) oder E-Mail.


2 Kommentare:

  1. Das mit den "In-Country Reviews" kann ich nur bestätigen!
    Ich nehme diesen Beitrag als Argument für die Integration der Übersetzung ins Unternehmen. Was unsere Übersetzungen zwar viel teurer macht, aber auch den Frust reduziert.

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  2. Herzlichen Dank für Ihren Kommentar! Die Kosten spielen ja (fast) immer eine Rolle. Aber der Review reduziert, wie Sie richtig schreiben, nicht nur den Frust, sondern er erhöht auch die Qualität. Dies relativiert auch etwaige Mehrkosten meiner Ansicht nach.

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